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Überbau von Grundstücken: Reparaturmittel oder Möglichkeit zur kreativen Grundstücksbebauung?

– Publications

Bei der Entwicklung größerer Quartiere sind häufig mehrere Grundstückseigentümer betroffen, darunter teils auch Wohnungsunternehmen. Nicht immer lassen sie sich problemlos unter einen Hut bringen. Überbaurechte können dabei eine Lösung sein. Welche Möglichkeiten sind denkbar und was ist zu beachten?

Von RA Marius Bergermann

Die Rechtsfolgen einer unbeabsichtigten Überbauung von Grundstücken sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 912 BGB,) festgelegt. Sie sollen verhindern, dass ein Gebäude, das versehentlich und geringfügig auf das Nachbargrundstück ragt, abgerissen werden muss. Der Betroffene muss den Überbau gegen Zahlung einer Rente dulden oder kann den Nachbarn auffordern, die Fläche abzukaufen (§ 915 BGB). Lediglich bei massiven oder absichtlichen Überschreitungen kann der Bauherr verpflichtet werden, sein Bauwerk abzureißen.

Mittlerweile werden Überbauregeln auch proaktiv bei komplexen Baumaßnahmen oder verfahrenen Kaufvertragsverhandlungen eingesetzt. Dabei wird aus verschiedenen Gründen im Vorhinein auf Überbaumöglichkeiten gesetzt. Eine klare Vereinbarung zwischen den betroffenen Grundstückseigentümern ist unerlässlich, eine Grundbuchabsicherung zu empfehlen.

Das Modell funktioniert folgendermaßen: Beim Überbau wechselt das Grundstücksteil des Nachbarn, das bebaut werden soll, nicht den Eigentümer. Der Nachbar erlaubt lediglich die Überbauung, also dass ein Gebäude oder eine Tiefgarage in sein Grundstück ragt. Als Gegenleistung kann der Investor dem Betroffenen eine Überbaurente bezahlen. Alternativ ist auch eine Einmalzahlung denkbar beziehungsweise die Übertragung von Nutzungsrechten. So geschehen bei einem Entwickler, der ein Einkaufszentrum und ein Hotel bauen wollte. Weil sein Grundstück umringt war von bebauten Flächen anderer Eigentümer, traf er bei der Schaffung der notwendigen Tiefgaragenstellplätze mit diesen eine Überbauvereinbarung. Diese sah vor, dass die Garageneinfahrt ein Grundstück unterquerte und Stellplätze in die Nachbarflächen ragten. Im Gegenzug wurde den Anrainern eine bestimmte Anzahl an Pkw-Stellflächen als Ersatz für eine Rente zur Verfügung gestellt.

Neben baupraktischen gibt es hin und wieder eher psychologische Gründe, die eine Überbauregel sinnvoll erscheinen lassen. Häufig wollen Eigentümer ihre Flurstücke nicht an Bauherren verkaufen, weil sie als Erbengemeinschaft uneins sind oder auf steigende Grundstückpreise spekulieren. Dann dienen Überbauregeln als Hilfsmittel. Denn im deutschen Recht gibt es im Grundsatz nur einen Eigentümer des Grundstücks, keinen separaten am Gebäude. Bekanntlich bestimmt der Untergrund das Eigentum am Baukörper.
Das Überbau-Bauwerk gehört hingegen rechtlich zu einem Stammgrundstück, erstreckt sich aber über eines oder mehrere Nachbargrundstücke. Bei Überbauten, egal ob bei existierenden oder geplanten, sollte ein solches Stammgrundstück definiert werden. Dessen Eigentümer wird in der Regel vertraglich verpflichtet, die Instandhaltung seines Bauwerks zu übernehmen und die Kosten für die vertraglichen Regelungen zu tragen (siehe unten).

Viele unwissentliche Überbauungen werden erst bei Veräußerungen bemerkt
Nicht selten werden solche Bauten, wie in das Nachbargrundstück ragende Keller- oder Tiefgaragenflächen oder nachträglich an die Fassade angebrachte Lüftungsschächte, bei bevorstehenden Baumaßnahmen oder Due-Diligence-Prüfungen im Rahmen von Immobilienverkäufen bemerkt. Dann sollten mit dem oder den Betroffenen nachträgliche Überbauvereinbarungen getroffen werden.
Wichtig ist, dass die Klauseln dabei über den Tag hinausweisen. So sollte im ersten Schritt mit dem Nachbarn eine schuldrechtliche Vereinbarung getroffen werden und im zweiten zur Absicherung als Dienstbarkeit ins Grundbuch aufgenommen werden. Bei einer Neubaumaßnahme sollte der Überbauwunsch technisch in den Bauantrag einfließen.

In der schuldrechtlichen Vereinbarung sind die Rechte und Pflichten der Beteiligten zu beistimmen: welches Grundstück ist das Stammgrundstück? Welcher Dimension und welcher Art ist der Überbau und wer kümmert sich um die Instandhaltung? Sollte das Recht nach einem Abkauf-Verlangen ausgeschlossen werden? Ferner sollte die Entschädigung des Nachbarn geregelt werden. Hierfür kann der Verkehrswert des überbauten Areals zum Zeitpunkt der Maßnahme herangezogen werden. Zudem ist zu fixieren, wer Notar und Grundbuchgebühren zahlt. Zumeist wird dies der Eigentümer des Stammgrundstücks übernehmen. Die Parteien sollten frühzeitig Juristen hinzuziehen, handelt es sich hierbei doch um komplexe Vorgänge.
Im Grundbuch sollte die Überbauung als Dienstbarkeit eingetragen werden. So ist bei einem Verkauf dem Erwerber klar, welche Besonderheiten mit dem Grundstück verbunden sind.

Beim Neubau innerstädtischer Quartiere mit mehreren Investoren und einem beherrschenden Stammgrundstück können Überbauregeln ein wirksames Mittel sein. Sie lassen viele Gestaltungsfreiheiten zu.

Was es bei Überbaurechten zu beachten gilt:

  • Wenn herkömmliche Wege einer Grundstücksaufteilung nicht möglich sind, sollten Überbaurechte geprüft werden.
  • Zunächst mit Eigentümer des zu überbauenden Grundstücks schuldrechtliche Vereinbarung treffen zu Größe des Überbaus, Unterhaltung des Bauwerks und Entschädigungen.
  • Klären, wer für Kosten für juristische Beratung, Notar, Grundbucheintragung etc. aufkommt.
  • Danach die Überbauvereinbarung im Grundbuch absichern.
  • Bei jedem größeren Grundstückerwerb sollte im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung ein Augenmerk auf eventuell versteckte Über- oder Unterbauungen (wie Garagen, Keller) gerichtet werden.

Der Autor:
Marius Bergermann ist Rechtsanwalt bei Hauck-Schuchardt, einer Partnerschaft von Steuerberatern und Rechtsanwälten mbB in Frankfurt am Main. Die Kanzlei ist auf Immobilienwirtschaftsrecht spezialisiert.