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Schriftformverstöße: Damoklesschwert der Gewerberaummiete

– Publications

AIZ

Schriftformverstöße sind bei gewerblichen Mietverträgen häufig. In diesen Fällen steht jeder Vertragspartei das Recht zur Kündigung zu. In der Vergangenheit war umstritten, ob dieses Kündigungsrecht durch Schriftform-Heilungsklauseln ausgeschlossen werden kann.

VON RECHTSANWALT JÖRG DOMBROWSKI

Der BGH hat solche Schriftform-Heilungsklauseln im letzten Jahr für unwirksam erklärt. In Anbetracht der wirtschaftlichen Bedeutung langfristiger Gewerberaummietverträge, sollten die Möglichkeiten von Schriftformkündigungen gesetzlich eingeschränkt werden.

Nach dem Schriftformerfordernis müssen alle wesentlichen Vertragsbedingungen wie Mietgegenstand, -höhe sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses im Mietvertrag festgehalten werden. In den letzten Jahren hat sich eine teils uneinheitliche Rechtsprechung entwickelt, die weitere Regelungen, z.B. zu baulichen Veränderungen als schriftformbedürftig herausgestellt hat. Viele gewerbliche Mietverträge verstoßen daher gegen die gesetzliche Schriftform, oft unbeabsichtigt. So werden Vertragsanpassungen, wie die Veränderung der Mietfläche, der Mietbeginn oder eine Mietanpassung zwar mündlich, per E-Mail oder schriftlich vereinbart, aber es wird versäumt, diese schriftformgerecht festzuhalten. Vorgenannte änderungen müssen grundsätzlich in einen schriftlichen Nachtrag gefasst werden, der eindeutig auf den ursprünglichen Vertrag verweist und aufführt, welche Punkte geändert werden und welche weiterhin Bestand haben.

Beruft sich einer der beiden Vertragspartner zu recht auf einen Schriftformmangel, kann er den Gewerbemietvertrag mit der gesetzlichen Frist des § 580a BGB kündigen. Die Frist liegt bei Geschäftsraummietverträgen, bedingt durch die quartalsweise Berechnung, je nach Kündigungstermin zwischen circa sechs und neun Monaten (§ 580a, Abs. 2 BGB). Dies kann für beide Vertragspartner schwerwiegende Folgen haben: Der Vermieter muss gegebenenfalls mit Flächenleerstand rechnen. Hat er Ausbauzuschüsse gezahlt, gehen diese verloren. Der Mieter kommt bei einer überraschenden Kündigung möglicherweise in Existenznöte, weil er in den Räumlichkeiten seinen Lebensunterhalt erwirtschaftet.

Auch Investoren, die sich auf die Laufzeiten ihrer Verträge und damit den Cashflow verlassen, um ihre Investition zu finanzieren, sind von diesen Risiken betroffen. Insbesondere ausländischen Anlegern ist die Gefahr möglicher Schriftformkündigungen schwer zu vermitteln. Ihr Bild, das deutsche Rechtssystem ist verlässlich und transparent, wird getrübt.

Wesentlicher Schutzzweck der Schriftformverpflichtung ist der Erwerberschutz. So soll ein in ein Mietverhältnis eintretender Erwerber nicht langfristig an ihn unbekannte (z.B. weil nur mündlich vereinbarte) mietvertragliche Regelungen gebunden werden.

über viele Jahre hinweg behalfen sich die Vertragsparteien damit, Schriftform-Heilungsklauseln im Mietvertrag zu vereinbarten. Darin legten sie fest, dass Formmängel beim Bekanntwerden zu beheben sind und der Vertrag vorher nicht aufgrund von Schriftformverstößen gekündigt werden darf. Einige Oberlandesgerichte sahen lange Zeit solche Klauseln als zulässig an. Im September vergangenen Jahres erteilte der BGH dieser Praxis allerdings eine Absage und entschied, dass Heilungsklauseln generell unwirksam sind, unabhängig davon, ob sie formular- oder individualvertraglich vereinbart wurden (BGH, XII ZR 114/16). Seitdem sind viele Gewerbemietverträge juristisch angreifbar.

Die Richter vertraten die Ansicht, dass mit Heilungsklauseln die gesetzlich gewährte Schriftformkündigung untergraben werde. Sie beriefen sich auf den vorgenannten Erwerberschutz. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Schriftformkündigungen oftmals nicht ihren Kern im Schutzzweck der Schriftform haben, sondern vielmehr in wirtschaftlichen Interessen. Nach Schriftformverstößen wird oft gezielt gesucht, um vorzeitig auszusteigen, etwa weil sich die Marktmieten stark verändert haben und der Vermieter seine Flächen lukrativer nachvermieten kann.

Vor diesem Hintergrund erscheint es geboten, diese Unwägbarkeiten abzuschaffen. Hierfür sollte generell die Schriftformkündigung verboten werden. Dies wäre zu erreichen, wenn die Verweisungsvorschrift des § 578 BGB nicht länger den § 550 BGB benennt. Der von dem BGH angemahnte Schutz des Immobilienerwerbers (siehe oben) könnte gewahrt werden, indem jeder Käufer ein gesetzlich normiertes Recht erhält, über alle Mietvertragsinhalte schriftlich informiert zu werden. Dies würde dem Schutzzweck der Schriftform genügen und zugleich Rechtsicherheit herstellen.