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Der schwierige Schutz der Gewerbemieter

– Publications

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die vom Berliner Senat ins Spiel gebrachte Gewerbemietpreisbremse wäre nicht einfach zu realisieren. Es fehlen verlässliche Daten und viele Gerichte erachten Gewerbetreibende als weniger schützenswert als Wohnungsmieter.

VON RECHTSANWALT DR. BASTIAN HIRSCH

Frankfurt, 17. Oktober Am 13. August brachte der Berliner Senat im Bundesrat den Vorschlag ein, auch für Gewerbemietflächen, vor allem Läden in Nebenlagen, eine Mietpreisbremse einzuführen. Ähnlich wie bei der seit vier Jahren gültigen Bremse für Wohnungsmieten soll es Kommunen erlaubt werden, Bereiche in denen in der Vergangenheit die Gewerbemieten für Einzelhändler oder Handwerker stark stiegen, zu deckeln. Der Initiator der Bundesratsinitiative, der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), führt als Beispiel Berliner Mieten in Kiez-Lagen an. Diese hätten sich zwischen 2009 und 2018 teils um über 200 Prozent erhöht.

Fraglich ist, ob dies ein bundesweites Thema ist. Andere Mittel- und Großstädte beklagen in Nebenlagen und teils auch in Toplagen wieder sinkende Gewerbemieten. Bei dieser Gesetzesreform treten außerdem zusätzliche juristische Unabwägbarkeiten als bei der Wohnungsmietbremse zutage, die bedacht werden sollten. Viele Gerichte sehen Gewebemieter auf Augenhöhe mit ihren Vermietern. Bei Mietwohnungen ist das anders. Hier wird der Mieter als Verbraucher gesehen, der besonders schutzwürdig ist. Dies schlägt sich im Wohnungssektor nicht zuletzt in stark regulierten Kündigungsmöglichkeiten und Befristungen nieder. Der Bundesgerichtshof hat dies unter anderem in einem Urteil nach Einführung des Bestellerprinzips konstatiert und sprach darin von sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichten zu Lasten der Wohnungssuchenden. Dies rechtfertige den staatlichen Eingriff, dass der Makler ausschließlich vom Vermieter bezahlt wird (Az. 1 BvR 1015/15).

Im Gewerbemietrecht hingegen herrscht vorwiegend Vertragsfreiheit. Mietdauer, Anpassung der Miethöhe, Laufzeit etc. können von beiden Vertragspartnern größtenteils frei vereinbart werden. Aus Sicht der Gerichte sind beide Parteien Unternehmer und somit weniger schützenswert. Diese Sichtweise würde auch bei einer Gewerbemietpreisbremse greifen, falls sie vor Gericht landen würde. Allerdings ist in jüngster Zeit festzustellen, dass Richter die strengen Vorgaben von Schönheitsreparaturklauseln in Wohnungsmietverträgen ebenfalls auf Gewerbemietverträge ausweiten, sie also gleich behandeln.

Fakt ist, dass die Gruppe der Gewerbemieter sehr gemischt ist. Es gibt unerfahrene Gründer, die eine Kaffeebar betreiben wollen, ebenso wie große Lebensmittelhändler, die im Wochenrhythmus neue Geschäfte eröffnen. Ob sie gegenüber ihrem Vermieter eine schwächere, schützenswerte Position haben, lässt sich pauschal kaum sagen.

Im Mietwohnungsbereich werden örtliche Mietspiegel herangezogen, um die Rechtmäßigkeit der Miethöhe (Vergleichsmiete) zu belegen. Im Gewerbesektor wäre dies aus zwei Gründen weitaus komplizierter. Erstens gibt es keine wissenschaftlich basierten, qualifizierte Gewerbemietspiegel. Zwar führen Organisationen wie die IHK und Wirtschaftsförderer Umfragen zu Miethöhen durch, und große Gewerbemakler erfassen Vertragsabschlüsse in Großstädten. Diese sind jedoch weder flächendeckend noch wissenschaftlich fundiert.

Zweitens werden für Wohnungen meist Standardmietverträge verwendet, Gewerbeverträge sind in der Regel individuell verhandelt und dadurch schwerer vergleichbar. So ist die Miethöhe häufig mit weiteren Vertragsbestandteilen („Mieterincentives“) verknüpft. Sie liegt gegebenenfalls höher, falls sich der Vermieter finanziell am Innenausbau des Mieters beteiligt. Sie kann geringer sein, wenn beide einen Vertrag mit langer Laufzeit abschließen. Teils werden auch mietfreie Zeiten vereinbart. Nicht zuletzt dadurch ergibt sich eine breite Spanne bei Ladenmieten. In Frankfurt kann ein Laden in einer schwachen Nebenlage eine Nettokaltmiete von 7 Euro je Quadratmeter haben. Auf der Einkaufsstraße Zeil liegt sie teils bei über 300 Euro. Das erschwert die Vergleichbarkeit.

Bei Einführung einer Gewerbemietpreisbremse wäre mit zahlreichen juristischen Auseinandersetzungen zu rechnen. Im Gegensatz zu vielen Mietshäusern, die häufig in privater Hand sind, stehen hinter vielen Gewerbegebäuden renditeorientierte Unternehmen, Versicherungen oder Fonds. Würden Gewerbemieten gedeckelt, würde sich ihre Immobilieninvestition verschlechtern. Vermutlich würden sie alle Hebel in Bewegung setzen, dagegen vorzugehen. Bereits bei der Mietpreisbremse für Wohnraum erklärten Gerichte diese für unwirksam, so in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz. Bei einem Gewerbemietstopp könnte eine noch breitere Verunsicherung entstehen.

Letztlich haben viele Städte in der Vergangenheit zugelassen, dass in Stadtteillagen durch das Zusammenlegen mehrerer kleinerer Geschäfte große Läden entstanden. Darüber hinaus hat sich das Einkaufsverhalten verändert. Gewerbeflächen durften zu Wohnraum umgebaut werden. Die Entwicklung, die der Berliner Senat unterbinden will, ist demnach teils selbstgemacht.