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Nach Dauerleerstand droht Nutzungsrechtverlust

Leerstand

– Publications

Immobilien Zeitung

BESTANDSSCHUTZ


Leerstand bedeutet für Vermieter nicht nur Mietausfälle und Betriebskosten, auf denen sie sitzen bleiben. Vielmehr müssen sie befürchten, dass sie bei längeren Leerstandszeiten den Bestands-schutz für die Nutzung der Immobilie verlieren. Diese Gefahr kann schon bei einem Leerstand von über einem Jahr bestehen. Gastautor Rechtsanwalt Stefan Schlimm gibt Tipps, wie dem Verlust des Bestandsschutzes vorgebeugt werden kann. Der Eigentümer muss dazu z.B. zeigen, dass er sich aktiv um die Neuvermietung der Immobilie für die jeweiligen Nutzergruppen bemüht.

Schon bei mehr als einem Jahr Leerstandszeit kann ein Vermieter den Bestandsschutz für die bisherige Nutzung verlieren.

In vielen Städten stehen - insbesondere in Nebenlagen - viele Gewerbe-immobilien leer, weil die Eigentümer keine Nachmieter finden und eine Umnutzung in Wohnraum baurechtlich nicht möglich oder in manchen Städten einfach nicht lukrativ ist. Bei längerem Leerstand über mehrere Monate oder Jahre verliert die Liegenschaft jedoch nicht nur an Attraktivität und Wert. Der Eigentümer muss sich auch auf den Verlust bereits erworbener (Nutzungs-) Rechte einstellen. Problematisch wird schon eine Leerstandszeit von mehr als einem Jahr. Ergreift der Vermieter danach keine Vermittlungsmaßnahmen, kann sein Nutzungsrecht hinfällig werden. So ist denkbar, dass beispielsweise in eine ehemalige Schreinerei nicht abermals eine lärmintensive Handwerkerfirma einziehen darf.

Dies gilt vor allem dann, wenn zwischenzeitlich der Lärm- oder Nachbar-schaftsschutz verschärft wurde, oder bei Betrieben, die mit Gefahrenstoffen arbeiten, möglicherweise die Umweltauflagen erhöht wurden (wie etwa bei Tankstellen oder Autowerkstätten).

Die Nutzung muss teilweise neu beantragt werden

Im Zweifel sollte der Vermieter, falls er nach einer längeren Zeit einen potenziellen Neumieter gefunden hat, bei der jeweiligen Kommune klären und gegebenenfalls überprüfen, ob das bisherige Nutzungsrecht fortbesteht. Eventuell muss er dazu die Nutzung nochmals beantragen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, duldet die Stadt günstigenfalls die bisherige Flächennutzung. Schlimmstenfalls muss er ein neues öffentlich-rechtliches Genehmigungsverfahren mit einem entsprechenden Zeit- und Kostenaufwand beantragen und durchlaufen.

Bei einem bereits unterzeichneten Mietvertrag kann zu allem Überfluss eine außerordentliche Kündigung durch den Mieter drohen. Denn der Vermieter kann ihm die Mietfläche für die zugesicherte Nutzung nicht zur Verfügung stellen. Dies stellt für den Mieter einen Sachmangel im Sinne des § 536 Absatz 1 BGB dar. Der Vermieter beziehungsweise Eigentümer des Gebäudes sollte deshalb bei längeren Leerstandsphasen immer auch den möglichen Wegfall bestehender Nutzungsrechte im Hinterkopf behalten.

Wer eine Immobilie in einer bestimmten Art und Weise nutzen will, kommt an den für dieses Grundstück geltenden bauplanungsrechtlichen Vorgaben (§§ 29 ff. Baugesetzbuch) nicht vorbei. Diese sind sowohl im Rahmen einer erstmaligen als auch einer neuerlichen mietvertraglichen Nutzung von Bedeutung. In der Regel kennen sich Vermieter mit bevorstehenden Nutzungsänderungen zur ursprünglich im Rahmen der Baugenehmigung beantragten Nutzung aus und kümmern sich um entsprechende behördliche Nutzungsanpassungen, wenn beispielsweise eine Gaststätte in eine Diskothek oder ein Bürogebäude in Wohnungen umgenutzt werden sollen - oder auch umgekehrt.

Das mögliche Erlöschen der bisherigen Nutzung nach längerem Leerstand ist im Gegensatz dazu selten im Bewusstsein der Eigentümer beziehungsweise Vermieter verankert. Rechtmäßig errichtete, das heißt, dem öffentlich-rechtlichen, insbesondere dem Baurecht entsprechende Immobilien genießen den Bestandsschutz des Artikels 14 im Grundgesetz.

Dieser kann jedoch bei - auch nur vorübergehendem - Leerstand nachträglich wieder entfallen. So geschehen im Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urteil vom 28. Juli 1994, Az. 10 U 211/93). Dieses hat nach einer etwa zweijährigen Stilllegung einer - ehemals Bestandsschutz genießenden - Tankstelle die Wiederinbetriebnahme abgelehnt. Die einfache Begründung des Gerichts: Der bisherige Benzinabscheider war gemäß den zwei Jahre später geltenden Vorschriften nicht mehr genehmigungsfähig. Es wendet für die Frage, ob der einmal begründete Bestandsschutz (noch) fortwirkt, die von ihr entwickelten Grundsätze zu § 35 Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 Baugesetzbuch als Orientierungshilfe an.

Zeitmodell orientiert sich an der Leerstandsdauer

Das Bundesverwaltungsgericht hat dafür ein Zeitmodell entwickelt, welches sich an Immobilien orientiert, die nach einem Brand neu aufgebaut werden. Dieses Muster ist auf die Beurteilung der Fortdauer des Bestandsschutzes übertragbar: Im ersten Jahr nach der Zerstörung eines Bauwerks rechnet die Verkehrsauffassung stets mit dem Wiederaufbau. Eine Einzelfallprüfung erübrigt sich dann. Im zweiten Jahr spricht für die Annahme, dass die Verkehrsauffassung einen Wiederaufbau noch erwartet, eine Regelvermutung, die im Einzelfall jedoch entkräftet werden kann, falls Anhaltspunkte für das Gegenteil vorhanden sind. Ab dem dritten Leerstandsjahr kehrt sich diese Vermutung um. Dann ist davon auszugehen, dass die Grundstückssituation nach so langer Zeit für eine Neuerrichtung nicht mehr offen ist. Der Bauherr hat in diesem Fall besondere Gründe darzulegen, warum nach der Gebäudezerstörung noch kein endgültig erscheinender Zustand herbeigeführt wurde (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Mai 1995, Az. 4 C 20/94). Gemäß dieser Rechtsprechung ist für die Fortdauer des Bestandsschutzes maßgeblich, ob die Verkehrsauffassung eine Wiederaufnahme der aufgegebenen Nutzung erwarten darf oder nicht.

Auf leer stehende Gewerbeimmobilien bezogen bedeutet die Anwendung dieses Zeitmodells, dass Immobilieneigentümer im ersten Leerstandsjahr noch nicht mit einem Wegfall der bisherigen Nutzungserlaubnis rechnen müssen. Schon ab dem zweiten Jahr besteht aber eine widerlegbare Regelvermutung für das Fortbestehen des Bestandsschutzes. Diese betriebliche Kontinuität hatte allerdings das Bundesverwaltungsgericht in seiner vorgenannten Entscheidung bei einem zwanzigmonatigen Stillstand bei einer Verwertung des ursprünglichen Betriebs im Rahmen eines Insolvenzverfahrens als fragwürdig angesehen. Ab dem dritten Leerstandsjahr muss der Eigentümer gegenüber der Kommune Gründe dafür darlegen, dass die Aufgabe der Nutzung der Immobilie noch keinen der Verkehrsauffassung als endgültig erscheinenden Zustand herbeigeführt hat. Stets sind also bei der Bewertung der Leerstandsproblematik die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

Diese Anwendung des Zeitmodells auf Fälle der Nutzungsunterbrechung durch Leerstand der Immobilien wird in Rechtsprechung und Literatur derzeit noch kontrovers diskutiert. Es finden sich zahlreiche voneinander abweichende Meinungen bis hin zu den Oberverwaltungsgerichten (OVG). So hatte das OVG Thüringen die Existenz des Bestandsschutzes für so lange angenommen, wie die Baugenehmigung nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Entsprechend hat es in einem Verfahren trotz einer fünfjährigen Nutzungsunterbrechung das Fortbestehen des Bestandsschutzes bejaht (OVG Thüringen, Urteil vom 29. November 1999, Az: 1 EO 658/99).

Hinweisschilder aufzustellen kann helfen

Dennoch ist derzeit dem Vermieter im Falle eines länger andauernden Leerstands mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen Bestandsschutz und der sich ändernden öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu empfehlen, spätestens nach einem Jahr Leerstand nach außen hin sichtbare Maß-nahmen zu ergreifen, die eine Wiederaufnahme der aufgegebenen Nutzung erwarten lassen. Als Ansätze werden hierfür neben der Beauftragung von Maklern das Aufhängen entsprechender Hinweisschilder an der Immobilie sowie die Zwischenvermietung von Teilflächen erörtert (Schrö-er, in: Bestandsschutz bei Umbauten und Sanierungen, NZBau, 2008, 105 (105)).

Verhandelt der Vermieter mit einem Mietinteressenten über die Neuvermietung seiner Immobilie und besteht ein über einjähriger Leerstandszeitraum, sollte der Vermieter auch bei einer beabsich-tigten gleichen Nutzung wie durch den Vorgänger des Mietinteressenten die Fortdauer des Be-standsschutzes überprüfen. Sonst läuft er Gefahr, sich im fortgeschrittenen Verhandlungs- oder gar noch im Vermietungsstadium Kündigungs- beziehungsweise Schadenersatzforderungen des neuen Mieters ausgesetzt zu sehen. (law)

Der Autor:
Stefan Schlimm ist Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei Hauck-Schuchardt, einer Partnerschaftsgesellschaft von Steuerberatern und Rechtsanwälten in Frankfurt am Main.
Die Kanzlei ist auf Immobilienwirtschaftsrecht spezialisiert.

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