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Projektentwicklungen: Warum die Assetklasse besonders viele Rechtsgebiete anspricht

– Publikationen

azur100

Komplexität und Zusammenspiel der unterschiedlichen Rechtsgebiete

VON RECHTSANWALT DR. BASTIAN HIRSCH

Die Immobilienbranche boomt. Das Angebot an Bestandsimmobilien, sowohl im Bereich des Wohnens als auch bei Gewerbeimmobilien, kann die aktuelle Nachfrage des Marktes kaum decken. Insofern entstehen derzeit viele Projektentwicklungen, um die Marktanfrage zu bedienen.

Auf den ersten Blick scheint die Projektentwicklung ein rein immobilien- und baurechtsrelevantes Thema zu sein. Doch dies täuscht: Die Projektentwicklung – von der ersten Idee über die Planung und die Umsetzung bis hin zum Verkauf – betrifft hierbei zahlreiche Rechtsgebiete, u.a. auch an der Schnittstelle des Zivil- und des öffentlichen Rechts. Im nachfolgenden Beitrag sollen am Beispiel einer Projektentwicklung für ein großes Gebäude mit Wohnungen und Gewerbeflächen in der Innenstadt einer deutschen Großstadt die verschiedenen relevanten Rechtsgebiete und Schnittstellen aufgezeigt werden.

Planungs- und Entwicklungsphase

Zunächst entsteht die Idee für das Projekt. Von Beginn an sollte eine Projektentwicklung auch steuerrechtlich begleitet werden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Wahl der passenden Gesellschaft bzw. Gesellschaftsform und/oder Joint Ventures sowie einer möglichen Finanzierung des Vorhabens, sodass auch Handels- und Gesellschaftsrecht, M&A sowie ggf. Bank- und Kapitalmarktrecht eine Rolle spielen können. Sind diese Vorfragen geklärt, muss ein passendes Grundstück gefunden werden. Die Vermittlung übernimmt ggf. ein Makler. Insofern muss ein Maklervertrag verhandelt und abgeschlossen werden. Ist das passende Grundstück gefunden, muss dieses erworben werden. Kaufverträge bei Immobilien, insbesondere bei hochpreisigen Grundstücken und Objekten, sollten stets von Immobilienrechtlern begleitet werden. Bei Immobilienkaufverträgen sind die Besonderheiten des jeweiligen Objekts sowie allgemeine Regelungen zur Kaufpreisfälligkeit, Haftung, Kostentragung sowie etwaige Rücktrittsrechte oder aufschiebende bzw. auflösende Bedingungen zu beachten. Im Vorfeld ist das Grundbuch zu prüfen. Sind hier Belastungen eingetragen, die der Projektentwickler übernehmen muss und ist die Projektentwicklung nach wie vor möglich? Für die weitere Projektentwicklung spielt das Grundbuch eine wichtige Rolle, sofern das Vorhaben weitere Dienstbarkeiten und ggf. eine Finanzierung erfordert.

Die Entwicklung des Objektes setzt zunächst eine konkrete Planung voraus. Hierzu werden ein Architekt sowie ggf. weitere erforderliche Fachplaner (z.B. Statik, Brandschutz etc.) benötigt und beauftragt. Zur Planung der Projektentwicklung gehört auch die Klärung weiterer öffentlich-rechtlicher Aspekte und Rahmenbedingungen: Besteht Denkmalschutz für das abzureißende Bestandsobjekt oder ggf. ein Umgebungsschutz? Bestehen für das Grundstück Altlasten oder Kampfmittelbelastungen? Existieren Baulasten, die dem Vorhaben entgegenstehen?

Mit dem Grundstück alleine ist noch keine Projektentwicklung möglich. Für das konkrete Vorhaben ist eine Baugenehmigung erforderlich. Ob diese erteilt wird, hängt wesentlich von dem für das Grundstück bestehenden Bauplanungsrecht ab. Hier stellt sich die Frage, ob ein Bebauungsplan existiert, der das konkrete Vorhaben zulässt, oder ob eine Befreiung oder gar Neu-/Umplanung im Rahmen eines Vorhabenbezogenen Bebauungsplans mit Städtebaulichem Vertrag erforderlich wird. Im Zusammenhang mit der Baugenehmigung ist auch das Nachbarrecht zu beachten. Gerade im Fall der Nachverdichtung im städtischen Bereich und bei größeren Projekten können z.B. Abstandsflächen nicht immer eingehalten werden oder es sind Zufahrts- und Wegerechte über Nachbargrundstücke erforderlich. Um späteren Streit und Verzögerungen zu vermeiden, empfiehlt sich in diesen Fällen, bereits im Vorfeld mit den Nachbarn entsprechende Nachbarvereinbarungen abzuschließen.

Bauphase

Liegt die Planung nebst Genehmigung vor, kann mit den baulichen Maßnahmen begonnen werden. Der Beauftragung konkreter Bauunternehmen gehen ggf. eine Ausschreibung und entsprechende Vergabeverfahren nach dem Vergaberecht voraus. Entscheidend ist dabei, ob der Projektentwickler schlüsselfertig durch einen Generalunternehmer/Generalübernehmer oder mit Einzelvergaben der jeweiligen Gewerke an unterschiedliche Unternehmen bauen möchte. Dies hat erheblichen Einfluss auf die Gestaltung der Bauverträge. Bei den Bauverträgen ist dann die Frage, ob das BGB-Werkvertragsrecht oder die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) Vertragsgrundlage sein soll. Fehler, Mängel, Verzögerungen auf der Baustelle und die Abnahme des Objekts richten sich nach dem privaten Baurecht, aber auch den Grundsätzen des allgemeinen Schuldrechts. Am Bau selbst sind nicht nur die jeweiligen Bauunternehmen, sondern auch überwachende Architekten und Sonderplaner beteiligt. In der Bauphase spielt das Bau- und Architektenrecht daher eine wichtige Rolle.

Vermarktung und Transaktion

Nach Fertigstellung oder ggf. auch bereits während der Bauphase erfolgt die Vermarktung der Projektentwicklung. Dies kann der Verkauf der gesamten Liegenschaft, einzelner Wohneinheiten (im Falle einer Wohnungseigentumsgemeinschaft nach dem WEG-Recht) und Flächen oder aber eine Vermietung der Flächen sein. Hierbei sind erneut das Maklerrecht sowie das Immobilien- und das Kaufrecht zu beachten. Bei einer Vermietung ist das Wohnraum- und Gewerberaummietrecht bei der Vertragsgestaltung anzuwenden.

Fazit

Eine erfolgreiche Projektentwicklung bedarf der rechtlichen Begleitung vom Anfang bis zum Ende. Hierbei sind die unterschiedlichsten Rechtsgebiete und Rechtskenntnisse zum Immobilienrecht im weiteren Sinne erforderlich. Von der Idee der Immobilie in der Innenstadtlage bis zur abschließenden Vermarktung der Wohnungen und Flächen sind vielfältige und vielschichtige rechtliche Hürden und Aspekte zu beachten. Im Rahmen der Projektentwicklung bestehen daher für Rechtsanwälte zahlreiche Möglichkeiten, sich mit ihren jeweiligen speziellen Rechtsgebieten und rechtlichen Schwerpunkten einzubringen. Das Immobilienrecht bietet damit auch für Berufsanfänger ein breites Spektrum vom Zivil- bis zum öffentlichen Recht.

Originaltext in azur100