Um eine optimale Funktionalität zu gewährleisten, werden auf dieser Website Cookies eingesetzt. Wenn Sie die Nutzung der Website fortsetzen, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weiterführende Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.

OK

Erst kommt die Zusage, dann der Ärger

– Publikationen

Ist die Baugenehmigung erteilt, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass alles in trockenen Tüchern ist. Wie können Projektentwickler Risiken frühzeitig erkennen und gegensteuern? Die Baugenehmigung - ein Fall für den Papierkorb? So weit muss es nicht kommen, aber mit dem Eingang des Papiers sind nicht zwangsläufig alle Risiken ausgeräumt. In Mietverträgen sollte eine Regelung vorgesehen werden, dass beide Seiten im Falle von Bauverzögerungen zunächst eine einvernehmliche Lösung suchen."

VON DR. BASTIAN HIRSCH

Anwohner, die befürchten, durch ein benachbartes Bauprojekt Nachteile zu erleiden, können auch noch nach Erteilung der Baugenehmigung ihre Bedenken äußern. Abhängig von den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften können sie entweder gegen die Baugenehmigung Widerspruch einlegen oder direkt Klage einreichen. Dabei gilt: Weder einer Klage noch einem Widerspruch kommt nach Paragraf 212 a Absatz 1 Baugesetzbuch eine aufschiebende Wirkung zu, sofern diese nicht behördlich oder gerichtlich auf Antrag des Nachbarn an­geordnet wird. Der Bauherr kann daher sein Vorhaben bis auf Weiteres fortsetzen. Erst wenn die Bauaufsicht eine Anordnung, schlimmstenfalls einen Baustopp, verhängt, muss er seine Arbeiten unterbrechen.

Von Anrainern werden Baugenehmigungen oft angefochten, weil Abstandsflächen nicht eingehalten werden, sie Verschattungen ihres Grundstücks durch eine Nachbarbebauung oder eine Zunahme von Liefer- und Pkw-Verkehr sowie sonstigen Lärm befürchten, falls in ihrem Wohngebiet ein Supermarkt eröffnet oder Gewerbebetriebe vergrößert werden.

Abstandsflächen als Streitpunkt
Der Entwickler sollte zwei Ratschläge beherzigen. Er sollte erstens im Vorfeld auf Nachbarn zugehen, die ihre Rechten verletzt sehen könnten oder dies bereits kundtaten. In den Gesprächen können sich beide vielleicht gütlich einigen, wenn der Nachbar dem Investor beispielsweise seine Zustimmung zum Unterschreiten der Abstandsflächen einräumt und der Bauherr dies vergütet oder dem Nachbarn erlaubt, bei einer künftigen Maßnahme des Nachbarn, bei der ebenfalls Abstandsflächen tangiert werden, seinerseits zuzustimmen. Solche Nachbarvereinbarungen, zum Beispiel zum Unterschreiten von Abstandsflächen, sind üblich; sonst wären in Innenstädten quasi keine Hochhäuser planbar.
Zweitens sollte der Entwickler die Bauaufsicht bitten, den Anliegern eine Ausfertigung der erteilten Baugenehmigung verbunden mit einer Rechtsbehelfsbelehrung förmlich zuzustellen. Dann haben diese nach Paragraf 70 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einen Monat Zeit, der Genehmigung zu widersprechen. Passiert dies nicht, ist der Bauherr zumindest bei diesen Nachbarn auf der sicheren Seite.
Erfolgt keine Zustellung oder eine mit fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung, verlängert sich die Widerspruchsfrist der Anwohner beziehungsweise etwaig betroffener Dritter auf ein Jahr (Paragraf 58 VwGO). Dieser Umstand kann für den Bauherrn durchaus riskant sein.

Neue Mehrheiten im Rat blockieren Pläne
Ändert die Gemeinde den Bebauungsplan und erlaubt in einem Quartier zum Beispiel nur noch eine drei- anstatt einer vierstöckigen Bebauung, können unter Umständen auch laufende Projekte betroffen sein. Solche Änderungen kommen beispielsweise vor, wenn sich nach Kommunalwahlen die Parteienlandschaft ändert. Für den bestehenden Bebauungsplan wird meist eine Veränderungssperre erlassen, die ihn bis zur Verabschiedung eines neuen blockiert und auf dessen Grundlage keine Baugenehmigungen mehr erlassen werden dürfen. Bereits erteilte Baugenehmigungen gelten jedoch fort.
Hat der Bauherr berechtigterweise auf den Fortbestand des Bebauungsplans vertraut und ist eine Planungsänderung mit einer erheblichen Wertminderung des Grundstücks verbunden, weil zum Beispiel eine geringere Geschosshöhe erlaubt wird, hat er einen Entschädigungsanspruch für wertlos gewordene Aufwendungen gegenüber der Kommune. Es ist dann der Vertrauensschaden zu ersetzen. Erstattet werden können unter anderem Kosten für Vermessung, statische Berechnungen sowie Honorare für Planentwürfe.

Entgangene Gewinne werden nicht ersetzt
Erteilt die Behörde eine rechtswidrige Baugenehmigung und wird diese, etwa aufgrund einer Nachbarklage, aufgehoben, kann der geschädigte Bauherr Amtshaftungsansprüche geltend machen. Er kann verlangen, dass seine Aufwendungen, die er im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Genehmigung getätigt hat, ersetzt werden. Allerdings werden nur Schäden erstattet, die aus bisherigen Plan- und Baumaßnahmen resultieren. Möglicherweise entgangene Gewinne werden nicht ersetzt.
Muss der Bauherr bei baurechtlich komplexen Fällen mit höheren Risiken rechnen, sollte er versuchen, in seinen möglicherweise im Vorfeld geschlossenen Mietverträgen darauf zu verweisen, dass sich die Übergabe zum Beispiel wegen nachträglicher nachbarschaftlicher Widersprüche verzögern kann. So kann er versuchen, Schadensersatzrisiken abzuwehren beziehungsweise zu minimieren. Entscheidend wird dabei sein, ob sein Vertragspartner einer solch weitreichenden Vereinbarung zustimmt und ob diese rechtlich wirksam ist.
Es kann zudem mit ungefähren Zeitangaben für die Bauübergabe gearbeitet werden. Das heißt, es wird kein fixer Übergabetermin, sondern ein Zeitfenster, das jedoch zwingend fix bestimmt sein muss, vertraglich niedergeschrieben. Dies ist aber mit hohen juristischen Hürden verbunden: Diese Vereinbarung muss individuell zwischen beiden Vertragspartnern ausgehandelt werden. Der Passus darf vom Bauherrn nicht in seinen AGB „vergraben" werden und für seinen Vertragspartner überraschend sein. Darüber hinaus muss das gewählte Zeitfenster konkret bestimmt und von der Dauer her angemessen sein, was stets im Einzelfall zu prüfen ist. Ferner sollte in Mietverträgen eine Regelung vorgesehen werden, dass beide Seiten im Falle von Bauverzögerungen zunächst eine kooperative und einvernehmliche Lösung suchen, bevor rechtliche Schritte (wie zum Beispiel Kündigung oder Rücktritt) eingeleitet werden.